17.03.2024

Hinter Gittern: Die Wirtschaftsjunioren in der JVA Ravensburg

Die Wirtschaftsjunioren Bodensee-Oberschwaben treffen sich jeden Monat zu spannenden Aktionen und Besichtigungen. Dieses Mal ging es hinter „schwedische Gardinen“. Auf dem Programm stand die Besichtigung der JVA Hinzistobel in Ravensburg.

Artikel  von Melanie Rombach und Daniele Leberer im "Wochenblatt" Region Ravensburg

Wie wird es wohl auf der anderen Seite der Freiheit sein? Wird es sich arg beklemmend anfühlen und wie gestaltet sich der Gefängnisalltag für die Menschen, die dort auf Zeit untergebracht sind? Fragen über Fragen kreisten in den Köpfen der Besucher.

25 Wirtschaftsjunioren und Interessierte trafen sich am Mittwoch um 16:50 Uhr vor den massiven Mauern der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Ravensburg. Nach Abgabe von Personalausweis und Handy öffneten sich die großen Tore wie von Geisterhand und die Besucher durften das gesicherte Gelände durch eine Schleuse betreten. Ein Justizvollzugsbeamter führte die kleine Gruppe zuerst in die Aula zu einem Begrüßungsvortrag.

Der Jüngste Häftling ist erst 14 Jahre alt

Jessica Heidenreich (Geschäftsführerin VAW, Landesbetrieb JVA RV) hieß alle herzlich willkommen und erzählte, dass die Anfänge des Gefängnisses auf das „Rote Haus“ in Ravensburg, nahe des heutigen Gänsbühlcenters, gehen. Der erste Bauabschnitt der heutigen JVA Hinzistobel wurde im Jahr 1982 bezogen.

Früher war die JVA nur für heranwachsende Jugendstraftäter, dies wurde allerdings aufgehoben und es gibt heute keine Altersbeschränkungen mehr. Was die Wirtschaftsjunioren dann doch etwas erstaunte war die Tatsache, dass der jüngste Häftling erst 14 Jahre alt ist. In Hinzistobel sitzen übrigens nur Männer ein, straffällige Frauen werden in der JVA in Schwäbisch Gmünd untergebracht.

Die JVA bietet aktuell rund 280 Mitarbeitern einen Arbeitsplatz

Der Vollstreckungsplan Baden-Württemberg bietet die Grundlage für die Justizvollzugsanstalt in Ravensburg. Das bedeutet, dass für jeden Beschuldigten bzw. Verurteilten die jeweils örtlich und sachlich zuständige Vollzugseinrichtung des Landes festgelegt wird. Der Plan wurde zum 15. Mai 2023 umfassend überarbeitet. Laut Jessica Heidenreich stehen in Hinzistobel 469 Haftplätze im geschlossenen Vollzug zur Verfügung, dazu kommen 108 Plätze im offenen Vollzug. Aktuell sind rund 360 Plätze besetzt – dafür verantwortlich sind rund 280 Mitarbeiter.

Während der Führung durch die JVA teilten sich die 25 Besucher in zwei Gruppen auf und wurden von Jessica Heidenreich und Lutz Hoyer sowie durch zwei Beamte durch das Gefängnis geführt. Ein beklemmendes Gefühl kam auf, als der Weg durch einen leeren Sträflings-Trackt führte. Die Wirtschaftsjunioren durften die Zellen genau inspizieren und konnten so zumindest gedanklich in den Alltag des Lebens der Menschen hinter verschlossenen Türen eintauchen.

Zur Belegung stehen Einzel – und Mehrbettzimmer zur Verfügung. Lutz Hoyer erklärte, dass natürlich die Einzelzimmer besonders gefragt sind. Die Mehrbettzimmer sollen vor allem die sozialen Kompetenzen fördern. Wichtig dabei ist, dass suizidgefährdete Gefangene nicht alleine sind. In einem bewohnten Trakt sind zwischen 33 und 38 Häftlinge untergebracht.

Viele Fragen wurden beantwortet

Bei den Interessierten kamen natürlich viele Fragen auf: Welche Strafdelikte sind die häufigsten? Sind es heute mehr Gefangene als vor 10 Jahren? Wieviel kostet ein Häftling pro Tag? Lutz Hoyer: „Die häufigsten Strafdelikte liegen im Bereich Drogendelikte und Körperverletzung. Der Anzahl der Gefangen ist gestiegen und ein Häftling kostet pro Tag durchschnittlich 147,24 Euro“.

Bei der weiteren Führung kamen die Besucher auch in den Trakt, in dem die Isolierhaftzellen liegen. Sie werden bgH (besonders gesicherter Haftraum) oder auch nur „B-Zelle“ genannt. In der Regel sind diese Räume nur mit einer reißfesten Matratze ausgestattet. Auch die Kleidung und die Decken der Häftlinge bestehen aus reißfestem Material. Der Grund: Das sich niemand selbst Gewalt antun kann. Dieser Einblick in eine nicht alltägliche Welt hatte für alle eine beklemmende Note.

Tagesablauf der Sträflinge

Die Ausführungen zum genauen Tagesablauf der Sträflinge erweckte großes Interesse bei den Wirtschaftsjunioren. Alles ist streng getaktet. Los geht´s um 6 Uhr in der Früh. Die Häftlinge werden geweckt, das Frühstück wird in den Zellen verteilt. Alle Mahlzeiten müssen nämlich in der Zelle eingenommen werden. Nach dem Morgenessen geht es für die Gefangenen entweder in die Schule oder zur Arbeit. Nach der Arbeit in der JVA gibt es verschiedene sportliche Aktivitäten. Die Häftlinge werden von 21 Uhr bis 6 Uhr in Ihren Zellen eingeschlossen.

Auf dem Gelände der JVA können die Inhaftierten den Hauptschulabschluss, eine Ausbildung in Handwerk oder Industrie nachholen sowie anderen Arbeiten nachgehen. Es wird für alle ein breites Spektrum angeboten. Schritt für Schritt wird die Bildung auch digitalisiert. Das Arbeiten gehört zum Pflichtprogramm.

Auf das Leben nach der JVA vorbereitet sein

Besonders die jüngeren Häftlinge sollen so auf ihr Leben nach dem Gefängnis vorbereitet werden. Diese können in einem hier erlernten Beruf leichter Fuß fassen und bekommen so eine Struktur in ihr Leben.

Die Besucher durften auch Blicke in die Arbeitsbereiche der Häftlinge werfen und waren erstaunt, wie groß sämtliche Werkstätten und Räume waren. In der JVA werden beispielsweise Grabkreuze und verschiedene hochwertige Backartikel wie Brotbackschieber angefertigt und verkauft. Die JVA ist für viele Firmen eine Art verlängerte Werkbank. Große Unternehmen aus der Region sind bereits Kooperationspartner für das vollzugliche Arbeitswesen.

Bei der Arbeit verdienen die Insassen ihr eigenes Geld, je nach Lohnstufe 1,50 Euro bis 3 Euro. Mit dem „Lohn“ können zusätzliche Lebensmittel zur Anstaltverpflegung bestellt werden. Wer spart, kann sich möglicherweise auch eine Spielekonsole zulegen, die dann jedoch nur für Offline Spiele genutzt werden kann. Auf dem gesamten Gelände gilt Handy- und Internetverbot!

Produkte aus der JVA käuflich erwerben

Jessica Heidenreich informierte die Wirtschaftsjunioren auch über die Öffentlichkeitsarbeit. Endverbraucher können beim VAW (Vollzuglichen Arbeitswesen) Produkte wie etwa ein Hochbeet erwerben. Das VAW wird dieses Jahr verschiedenste Artikel auch auf der Landesgartenschau in Wangen ausstellen.

Die Führung war nicht nur spannend, sondern auch ein einmaliges Erlebnis mit bleibenden Eindrücken, die alle zum Nachdenken anregten.